Kürzestreview Silksong: ein Kunstwerk für die Hardcore-Crowd
Kürzestreview Silksong: ein Kunstwerk für die Hardcore-Crowd
Bringt mich zur interessanten Überlegung, ob "anspruchsvolle Kunst" nicht auf die eine oder andere Art immer für die eine oder andere Hardcore-Crowd im Gegensatz zu Otto-Normal-Kunstbanause gemacht wird
Der Unterschied ist imho, dass »anspruchsvolle Kunst« in anderen Kontexten grundsätzlich mit wenig Voraussetzungen konsumierbar ist, während viele Games erstmal hart Gaming-Skills austesten. Diese Hürde selbst kann Kunstcharakter haben, ist zu oft aber prätentiöser »Kunst muss schwer sein«-Dünkel.
Eventuell wär das dann eher eine Frage, ob der KunstMARKT (Rezeption/Galeristen/Märkte/Sammler) nicht dementsprechend mit "Skill"-Hürden in Sachen Verständnis, geschichtliche Einordnung etc funktioniert
Keine dieser Instanzen hält mich grundsätzlich davon ab, in eine Kunstgalerie zu gehen und mir versuchsweise Kunst vollständig reinzuziehen. Meist sogar mit Hilfestellung. Außer am Eingang würde erstmal ein Reaktionstest gemacht und der Zugang mit einem »Git Gud« verweigert, wenn ich scheitere.
Wie gesagt: Diese Form der Herausforderung kann Kunstcharakter haben, aber die Sprache von Games ist so vielfältig, dass mir »der Struggle ist die Kunsterfahrung« in der Masse eher als Kitsch erscheint. Verstehe auch nicht, warum »gelungenes Design/Handwerk« als Qualität nicht schon gut genug ist.
Zumal es die MARKT-Instanz im Gaming auch gibt und andere (Kunst-)Erfahrungen als die des Struggle regelmäßig abgewertet werden (so entstehen Genre-Begriffe wie »Walking-Sim«). Muster: einfach ≠Kunst. Das wirkt wie die Simulation eines Klischees »anspruchsvoller Kunst«. Cargo-Kult-Kunstproduktion.
Wir sind hier nicht unterschiedlicher Meinung, ich trolle hier nur ;)
Kommt vielleicht daher dass es bei sonstiger Kunst nie ums gewinnen geht oder ging; die Vorläufer heutiger games (bspw Brettspiele) sind schon immer mit struggle verbunden und haben eine kompetitive Komponente die ein Gemälde oder eine Skulptur nicht hat
Kulturanthropologisch betrachtet ging es in Spielen nicht immer schon um Wettkampf und Gewinnen. Moderne Spieldefinitionen kommen ebenfalls ohne beides aus. Auch die Kunstgeschichte ist voller Kunst-Spiele als Gegenbeispiel. Halte das für eine eher junge (Fehl-)Vorstellung davon, was Games ausmacht.
Hatten nicht schon frühzeitliche Spiele meistens einen definierten Sieger? Ich denke an Keno, Morra, frühe Würfelspiele und - wahrscheinlich am bedeutendsten - Schach
Ihre Ursprünge liegen in rituellen und sozialen Praktiken, deren Kern über das ermitteln eines „Gewinners“ weit hinaus ging. Die Verengung auf das definieren eines Siegers ist eine relativ neue Entwicklung. In den relevanten Definitionen muss ein Spiel auch nur ein Ende, aber keinen Gewinner haben.
Wäre mir neu, dass es beim Starten von Hollow Knight einen Reaktionstest gibt. Jeder kann es spielen. Ob es jeder durchspielen kann weiß ich nicht, aber das wäre eine andere Diskussion. Viele scheitern auch daran Romane durchzulesen. Videospiele sind da nicht groß anders.
Aber ein Roman ist nicht Kunst, weil er schwer zu lesen ist. Er mag schwer zu lesen sein, aber das macht den Kunstcharakter nicht aus. Viele Games (inkl. Hollow Knight) ziehen ihre Kunsthaftigkeit jedoch maßgeblich aus der Schwierigkeit des Konsums. Ist also keine andere Diskussion.
In Bezug auf den letzten Teil widerspreche ich. Dass HK schwierig ist, macht es nicht zur Kunst IMHO, vielmehr seine Gestaltung, sein Scope und seine Konsequenz
Aus eigener Praxis und Beobachtung des Diskurses um HK scheint mir Schwierigkeit schon zwar nicht der einzige, aber doch ein maßgeblicher Bestandteil der Betrachtung als Kunstwerk zu sein. Aber gebe Dir recht, dass das Spiel darüber hinaus noch deutlich mehr zu bieten hat. Hot Take: Add Story Mode!🔥
Dann wär's ein Spiel wie Knytt und immer noch sehr empfehlenswert
Limitationen sind doch für jede Kunst entscheidend. Kunst holt einen nicht dort ab wo man bereits steht, sondern erfordert ein 'sich darauf einlassen'. Bei Videospielen ist es entscheidend wie die interaktiven Elemente eingesetzt werden und es geht nicht darum möglichst viele Optionen einzubauen.
Finde solche Diskussionen über Schwierigkeit, naja, schwierig, wenn sie im Vakuum besprochen wird, statt im Kontext der jeweiligen Spiele und ihrer Wirkung (oder Werke überhaupt). Für ein Spiel wie Hollow Knight, das eine hostile Welt simulieren möchte, ergibt die enge Fehlertoleranz Sinn.
Und das finde ich auf der Wirkungsebene erst mal nicht fundamenal anders als etwa sperrige Stream-of-Conciousness-Prose in modernen Romanen. Beides verlangt Rezipient*innen eine gewisse Anstregung zugunsten eines bestimmten ästhetischen Ziels ab.
Ich finde an diesen Diskursen interessant, wie stets Klischees elitärer Kunstproduktion als Rechtfertigungshorizont ausgepackt werden (kurz: »Kunst ist überall schwer!«). Ich nehme andere Kunstkontexte als deutlich entspannter und offener für alternative Erfahrungen, Zugänge, Interpretationen wahr.
Das auf jeden Fall. Diese Hardness-Horniness wirkt wie eine Mischung aus Selbstüberhöhung und Selbstbestätigung. Auch wird "schwer" in Bezug auf Kunst hier erfahrungsgemäß nicht gescheit definiert und noch seltener hinterfragt. Ist Kunst überhaupt überall schwer? Und wenn ja, wie?
Also ich muss sagen, dass ich Kunst in anderen Bereichen zwar sehen kann, aber ohne Hilfe oder Lernaufwand nicht verstehen. Irgendwer hier hat Rothko erwähnt. Im Museum bin ich mir beim Audioguide verarscht vorgekommen als aus einfachen Farb-Flächen eine "Dekonstruktion von Rembrandt" gemacht wurde.
Also ich zweifle das ja nicht unbedingt an. Wird schon stimmen. Aber den Zugang hab ich von selbst jetzt auch nicht mehr gehabt, als andere bei einem schwierigen Spiel. Sehen allein hilft da nix.
Ebenso wie ich als Laie keine Ahnung hatte, warum ein oberflächlich betrachtet seichtes Actionplinpling wie Mad Max einen Oscar für Regie bekam, bis ein Youtube-Video mir das genau erklärt hat.
Das Gute an alldem ist, dass man durch die Konfrontation lernt und dann entscheiden kann, ob man etwas schätzt und sich weiter vertieft, oder nicht. Die Fähigkeit etwas schwieriges zu meistern ist eine legitime Hürde in interaktiven Medien. So wie Jazz sich nicht beim ersten Hören erschließen muss.
Der Unterschied ist aber, dass die eine Hürde weich ist und die andere hart.
Hm, Kunsthistoriker-Diskurs would like to disagree ;)
Was ich meine ist, dass ich mir einen verrätselten „Kunstfilm“ auch ohne Vorbildung zu Ende anschauen kann, aber es gibt Hardcore Games, deren Credits ich nie zu Gesicht bekommen werde, weil ich z. B. die Grenzen meiner Reaktionsfähigkeit erreicht habe. Ich spreche aus Erfahrung.
Folgt mir wie ich den ewigen Difficulty-Diskurs mit dem ebenso ewigen Kunst-Diskurs verpansche
Die Vermischung ist die von Kunst und Konsumprodukt. Und aus Perspektive der Kunst wird sich die Frage der Konsumierbarkeit nie beantworten.
Begriffe wie „anspruchsvoll“ und „Hardcore“ stehen als Sprechakte imo vor allem in der Tradition des alten Hochkultur-Distinktionsdranges. Der Groschenroman ist Schund, Hochliteratur beginnt da, wo der Voraussetzungsreichtum den Erfahrungshorizont des Proletariats übersteigt.
Hochkultur ist doch schon lange tot und wird nur noch aus einer musialen Perspektive betrachtet. Nicht aus irgendeiner Zugänglichkeit wegen, sondern als kapitalistischen Motiven. Der "Hardcore"-Begriff kommt aber sowieso eher aus einer Fan/Nerd-Ecke und den lehne ich persönlich auch ab.
*musealen
Ich empfehle in diesem Zusammenhang "Wut und Wertung" von @johannesfranzen.bsky.social, wo es auch um den "Härtediskurs" in der Hochkultur geht. (@gamespodcast.bsky.social und ich haben das auch in unserem Podcast dazu angesprochen und mit Games verknüpft. (*schamlose Eigenwerbung aus*)
Ich hab mir extra einen 16jährigen Afficionado herangezogen, der mir dann die Bosse abnimmt und noch einige andere für mich zu schwere Passagen.
Halte mich natürlich nicht für einen Kunstbabausen, aber für einen Soulslike Sidescroller bin ich schlicht zu alt, zu blöd und zu langsam. 🤷
Ja und Ja. Wir wollen doch in unseren Nischen stinkern!
Das besondere bei dieser Art von Kunst ist vielleicht, dass die „Zugangsbeschränkung“ nicht intellektuell ist („Ich verstehe das nicht“, „ich kann damit nichts anfangen“), sondern körperlich („das ist mir zu schwer“, „ich komme nicht weiter“).
oder noch besser: gamification “beantworten sie 4/5 Fragen zu Rothko korrekt, um den zweiten Raum der Ausstellung zu besuchen“ ich hab uU gamification falsch geschrieben
deshalb ist es wichtig, schwierige Kunst auch schwer zu erreichen. Kletter parcours ins MOMA! selbstschussanlagen ins Louvre! Stroboskop ins Leopold! ah warte das gabs eh schon. /s
In einem so fragmentiertem Markt wie Games ist Steam mit einem Marktanteil von etwas mehr als 6% am gesamten Games-Kuchen eigentlich eh für die Hardcore Crowd die klassische Singleplayer-Spiele spielt. Und in dem Teich gibts halt nen großen Anteil der genau das will.
Dann leider nicht für mich 😅
Ein Teil von mir freut sich ja über jedes Spiel, das "leider" nichts für mich ist. 😅
Ja, je wählerischer man ist, desto mehr Fokus bleibt für die Spiele.
"Lediglich" mehr vom Gleichen oder echter Mehrwert im Vergleich zum ersten Spiel?
Wenn Mehrwert Originalität bedeutet: nein
Dann bin ich derzeit mit Hell is Us ausreichend versorgt und kann warten.